Liquidationsreport Existenzgründung 2019
Immerhin 270.000 Unternehmer machten 2018 in Deutschland den Schritt in die gewerbliche Selbständigkeit. Für die Einen war es ein Weg aus den Zwängen einer Anstellung, für andere die Möglichkeit eine Geschäftsidee umzusetzen oder einen Schritt aus der Arbeitslosigkeit zu machen. Dabei blieben die Gründungszahlen weiterhin rückläufig. Gemäß dem Institut für Mittelstandsforschung ging die Anzahl der gewerblichen Existenzgründungen 2018 im achten Jahr in Folge weiter zurück. Seit 2003 haben sich die Zahlen gar gedrittelt. Die Existenzgründungsintensität zeigt für 2018 jedoch ein starkes Nord-Süd-Gefälle. Während nördliche Bundesländer und Stadtstaaten deutlich über dem Bundesdurchschnitt lagen, ist der Weg in die Selbständigkeit in Baden-Württemberg und Bayern – mit ihren niedrigen Arbeitslosenquoten – eine offensichtlich weniger attraktive Option. Auch in den Neuen Bundesländern liegt die Gründungsintensität weit unter dem Bundesdurchschnitt.
Hohe Zahl der Liquidationen
Den Existenzgründungen steht jedoch eine hohe Zahl an Unternehmensaufgaben gegenüber. Die Anzahl der Liquidationen zeigt zwar eine abnehmende Tendenz, lag 2018 mit 291.000 aber weiterhin auf einem hohen Niveau (verglichen mit der Anzahl der Gründungen) und zeigt ein negatives Saldo. Auffallend ist, dass mehr als die Hälfte der Unternehmen bereits innerhalb der ersten drei bis fünf Jahren aufgibt oder scheitert. An sich noch kein Grund zur Besorgnis – schließlich kann man aus Fehlern lernen und mit den gewonnenen Erkenntnisse neu starten. Doch für viele Gründer und Gründerinnen bedeutet ein Scheitern den Schritt in die Insolvenz oder gar Armut. Gemäß dem Statistischen Landesamt Sachsen beginnt die Armut für gut zehn Prozent der GründerInnen bereits vor dem Aus. So etwas sollte vermieden werden – könnte es in vielen Fällen auch, wenn man sich die Ursachen anschaut.
Gründe fürs Scheitern
Um erfolgreich zu gründen, gibt es nicht die eine Strategie. Aber es gibt typische Fehler, die für ein Scheitern verantwortlich sind und die (zum Teil) recht einfach hätten vermieden werden können. Der Liquidationsreport Existenzgründung 2019 listet die 21 meist gemachten Fehler auf.
21 Gründe, warum Existenzgründungen scheitern
Verzicht auf Beratung
Mehr als neunzig Prozent der Existenzgründenden startet ohne jegliche Beratung in die Selbständigkeit – und tappt in typische Fallen. Die Analyse der Ursachen des Scheiterns zeigt, dass bei mehr als der Hälfte der misslungenen Gründungen elementare Fehler gemacht wurden. An einem mangelnden Beratungsangebot dürfte es nicht liegen, denn das ist vorhanden. Es gibt ein breites Informations- und Bildungsangebot, speziell für Existenzgründende. Wie sinnvoll eine gute Beratung ist, zeigt eine Untersuchung der IHK München. Diese belegt, dass nur 20 Prozent der Gründungen von beratenen Unternehmen misslingen.
Im speziellen Gründerseminaren – beispielsweise im Workshop „Gewusst wie: Tipps für eine erfolgreiche Existenzgründung“ (IHK Akademie München), wird auf die größten Fehler explizit eingegangen und aufgezeigt, wie sie vermieden werden können.
Darüber hinaus bieten Verbände, Kammern, Organisationen, Städte, Wirtschaftsreferate und kommerzielle Anbieter entsprechende Beratungsleistungen, organisieren Unternehmertreffs,… . Und die Beraterbörse der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) alleine listet 4.486 Berater auf, wovon 2.824 auf das Thema Existenzgründung spezialisiert sind (Stand 5.5.2019).
Fehlender Markt
Bei 42 Prozent aller gescheiterten Existenzgründungen gab es schlichtweg keinen Markt für das Angebot. Einerseits erstaunlich, da die Frage nach dem Markt essentiell für jedes Unternehmen ist. Oft jedoch sind Gründer und Gründerinnen von ihrer eigenen Angebotsidee förmlich geblendet und verzichten auf eine Marktrecherche. Mitunter kommt es auch zu falschen Einschätzungen. Eigene Untersuchungen haben bestätigt, dass sich der Großteil der Gründenden zwar die Frage nach dem Leistungsangebot stellen, aber keine nach dem Marktbedarf. Schöngerechnete Businesspläne sind dabei keine gute Entscheidungshilfe und eine Tragfähigkeitsbescheinigung noch keine Erfolgsgarantie.
In Beratungsgesprächen mit Gründern zeigt sich immer wieder, dass einige von ihrer Gründungsidee Abstand nehmen oder sie besser vorbereiten, wenn sie sich mehr selbstkritische Fragen stellen.
Liquidiätsmangel
Bei der Führung von Unternehmen entstehen grundsätzlich Kosten für Betrieb, Produktion,… . Ausserdem müssen Rücklagen gebildet werden. Dient die Gründung dem Erwerb des Lebensunterhalts, sind diese Ausgaben ebenfalls zu erwirtschaften. Dabei behalten Existenzgründende ihre Liquidität oftmals nicht im Auge. Die Folge sind Zahlungsschwierigkeiten und Zahlungsverpflichtungen kann nicht mehr nachgekommen werden.
Eine weitere Liquiditätsfalle, in die gerne getappt wird, sind Forderungen des Finanzamts. Wer diese nicht im Auge hat und vorbereitet ist, für den wird’s richtig bitter – spätestens im dritten Jahr. Doch besonders in der Startphase neigen unerfahrene Gründende gerne dazu, jede Einnahme gleich wieder zu investieren oder zum Begleichen von Rechnungen zu verwenden. Wer dann die Forderungen des Finanzamts nicht begleichen kann, steht allzu schnell vor dem finanziellen und unternehmerischen Aus.
Schlechte Planungen, ein verschleppter Unternehmensstart, geringere Erlöse oder von Beginn an zu geringe finanzielle Mittel können als weitere Gründe ausgemacht werden. Und so scheitern fast ein Drittel aller Gründungen an fehlender Liquidität.
Falsches Team
Eine erfolgreiche Gründung braucht ein sehr gutes Team an eigenen Mitarbeitern, externen Dienstleistern und Partnern. Ein fehlendes oder schlechtes Team konnte bei 23 Prozent der Misserfolge als Ursache ausgemacht werden. Schauen wir uns die die Zusammensetzung wenig erfolgreicher Teams an so stellen wir fest, dass diese oft nicht nach Kompetenz, sondern aus finanziellen Beweggründen zusammengesetzt wurden. Allzu gerne nehmen Gründende kostenlose oder -günstige Angebote von Freunden, Bekannten, Netzwerkpartner,… in Anspruch – im Glauben, auf diese Weise Geld sparen zu können. Eine Fehlentscheidung, wie sich später oft herausstellt.
Gleiches gilt für eine Do-it-youself-Strategie. Das limitierte eigene Know-how, die verfügbare Zeit und das Außerachtlassen der eigenen Gesundheit stellen eine große DIY-Falle dar, die sich bei fast einem Viertel der Gründungen rächt.
Dem Mitbewerb unterlegen
Bei fast einem Fünftel der gescheiterten Gründungen sind Mitbewerber die Spaßverderber. Mit attraktiveren Angeboten und besseren Leistungen lassen sie einer Neugründung oftmals keine Chance. Nicht selten hatten GründerInnen den Mitbewerb – mangels ausreichender Recherche – nicht erkannt. Oder es waren beim Aufkommen der Gründungsidee noch keine auszumachen, was sich im Laufe der Zeit jedoch geändert hatte.
Andere Mitbewerber springen später auf den Erfolg auf, um zu partizipieren. So können sie erste Markterfahrungen nutzen, um ihr eigenes Angebot attraktiver zu gestalten und Kosten zu sparen. Oftmals finanziell besser aufgestellt, verdrängen sie vorher gegründete Unternehmen vom Markt.
Preise und Kosten
Fehler in der Kostenrechnung und Preiskalkulation führten bei 18 Prozent der Gründungen zum Scheitern. Oftmals wurden die Kosten falsch oder zu optimistisch kalkuliert und Preise zu niedrig angesetzt. Ein anderer Teil der betroffenen Unternehmen hatte die Preise zu hoch angesetzt oder Preismodelle zu undurchsichtig gestaltet, so dass sie von potenziellen Kunden abgelehnt wurden.
Kundenunfreundliches Produkt
Ob Planungsfehler oder Ignoranz: Werden Produkte kundenunfreundlich gestaltet, lehnen Marktteilnehmer den Kauf ab. Unzufriedene Kunden machen ihrem Unmut zudem in Bewertungsforen,… Luft, was weitere potenzielle Käufer abschreckt. Am Ende resignierten 17 Prozent der Gründenden.
Fehlendes Business-Modell
Bei ebenfalls 17 Prozent der Fehlschlägen fehlte ein tragfähiges Business-Modell, dass erfolgversprechende Wege der Monetisierung aufzeigt.
Schlechtes oder fehlendes Marketing
Bei 14 Prozent der Misserfolge fehlte ein gutes Marketing. Ein gutes Angebot zu haben, reicht in der Regel eben nicht aus, um am Markt erfolgreich zu sein.
In Gesprächen mit Unternehmen kam beispielsweise immer wieder das Argument, sie seien online mit einer Website präsent, das sollte ausreichen. Eine Fehleinschätzung. Potenzielle Kunden müssen vom Angebot erfahren und zum Kauf bewegt werden.
Kundenwünsche oder Service ignoriert
Der Kunde entscheidet was und wo er einkauft oder wen er beauftragt. Daher ist es als Anbieter wichtig zuzuhören und Kundenwünsche nicht einfach zu ignorieren. Ein Dialog mit der Zielgruppe – online in Social-Media-Kanälen beispielsweise oder offline in persönlichen Kontakten bieten sich hierfür an. Unaufmerksames Zuhören in Kundengesprächen führt ausserdem zu finanziellen Einbußen, fehlgelaufenen oder gekündigten Projekten.
Für 14 Prozent der Betriebe führte das Ignorieren der Kundenwünsche oder fehlender Service zum Scheitern.
Schlechtes Timing
Es ist eine Kunst genau das Angebot am Markt zu haben, was dieser gerade verlangt konstatierte Henry Ford bereits Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Und eine alte Weisheit besagt: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ – gleiches gilt für die Unternehmen, die zu früh am Markt sind. Für 13 Prozent der Gründungen war die Strafe eine Bauchlandung.
Fehlende Fokusierung
Abgelenkt durch Aufgaben des Alltags und der Unternehmensführung - oder ein stetig erweitertes Portfolio. Allzu leicht verlieren Unternehmen Überblick und Kontrolle, was – gemäß CB Insights – 13 Prozent der Gründerinnen und Gründer zur Aufgabe zwang.
Interne Streitigkeiten mit Team oder Investoren
Für ebenfalls 13 Prozent der Gründungen kam das Ende durch interne Streitigkeiten. Auseinander driftende Zielsetzungen oder unterschiedliche Auffassungen sowie eine ungleiche Lastverteilung im Unternehmen führten zum Bruch. Mit steigendem Stresslevel (beispielsweise durch ausbleibenden Geschäftserfolg) steigt auch das Risiko, dass Probleme aufbrechen, die durch eine Erfolgswelle bis dato nur unterschwellig vorhanden waren. Auch ein Streit mit Investoren bedeutet für viele Unternehmen das finanzielle Aus.
Falsche Anpassungen
Bei zehn Prozent der gescheiterten Unternehmen führten strategische Fehlentscheidungen zum Aus. Oft wurde zu spät oder garnicht auf Einflüsse oder Fehler reagiert. Notwendige Veränderungen blieben aus.
Fehlende Leidenschaft
Eine gute Geschäftsidee zu haben ist das Eine, sie umzusetzen das Andere. Bei neun Prozent der Gescheiterten fehlte es Gründern und Gründerinnen an der nötigen Leidenschaft und Ausdauer. Diese Unternehmer sind nicht an gescheitert, sondern haben aufgegeben. Mitunter, weil sie den Aufwand einer Existenzgründung unterschätzt hatten.
Geographische Fehler
Ob schlechte Lage eines Ladengeschäfts oder einer Produktionsstätte, Distanz zum Zielmarkt, Dienstleistern oder Lieferanten: Geografische Fehler spielten (gem. CB Insights) bei neun Prozent der Unternehmensliquidationen die Hauptrolle bei der Liquidation.
Fehlende oder schlechte Finanzierung
Viele Gründungen erfolgen aus einer Selbstfinanzierung heraus. Diese Bootstrapping-Strategie eignet sich jedoch nicht für jeden und ist risikoreich; es sind einige Faktoren zu beachten. Acht Prozent der Gründungen machten hier Fehler. Oder die finanzielle Decke war zu dünn und brach ein.
Juristische Probleme
Die Komplexität der gesetzlichen Regelungen ist für Laien oft nur schwer zu erfassen. Ignoranz oder Unkenntnis juristischer Aspekte und Streitigkeiten sind bei acht Prozent der Gründungen Ursache für ein Scheitern.
Fehlendes oder schlechtes Networking
Fehlendes Networking führte bei acht Prozent zum Misserfolg bei der Gründung. Für viele Unternehmen wären beispielsweise Gespräche mit Investoren notwendig gewesen. Aber auch Vertriebspartner,… und ein inspirierender Austausch mit Anderen hätte zu einem Erfolg führen können.
Burn-out
Gemäß einer Untersuchung von CB Insights scheitern acht Prozent aller Gründungen am Burn-out der Gründenden. Nicht verwunderlich, denn bei vielen gerät die Work-Life-Balance – teils extrem – aus dem Gleichgewicht. Als Ursachen lassen sich mehrere Faktoren ausmachen: Die einen gehen mit viel Passion in die Gründung und verlieren den Bezug zu ihrer Umwelt. Andere glauben alles selber machen zu müssen, überschätzen sich und unterschätzen die persönliche, mentale und physische Belastung.
Fehlende Flexibilität oder Veränderungsbereitschaft
Seien es politische, gesellschaftliche, ökologische, ökonomische, technische, politische oder sonstige externe und interne Faktoren: Ein Unternehmen steht ständig unter dem Einfluß verschiedenster Aspekte. Dazu kommen fehlende Flexibilität im Unternehmen, zu spätes Reagieren oder mangelnde Bereitschaft zur Veränderung und schon driften Unternehmen und Markt immer weiter auseinander. Immerhin sieben Prozent der Unternehmen gaben aus diesem Grund auf.
Datenquellen
- CB Insights
- F.A.Z.-Gruppe
- IHK für München und Oberbayern
- Institut für Mittelstandsforschung
- Kreditanstalt für Wiederaufbau
- mdr – Mitteldeutscher Rundfunk
- start.bayern sowie
eigene Erhebungen.